Die Neurogenetik erforscht die genetischen Ursachen neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, indem sie die Interaktion verschiedener Disziplinen wie Neurologie, Humangenetik und Biochemie nutzt. Ihr Ziel ist es, Gene zu identifizieren, die für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems wesentlich sind, und ihre Wechselwirkungen zu verstehen. Es gibt zwei Typen neurogenetischer Erkrankungen: Typ 1, verursacht durch direkte Fehlfunktion der im Ektoderm exprimierten Gene, und Typ 2, die sich indirekt über Mutationen in anderen Genen manifestieren. Die Neurogenetik hat bereits mehrere hundert Gene identifiziert, die mit solchen Erkrankungen in Verbindung stehen, und bietet diagnostische Methoden wie Next Generation Sequencing zur Analyse dieser Erkrankungen an.
Die Neurogenetik befasst sich mit der Erforschung und Untersuchung der genetischen Ursachen neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Experimentelle Ansätze zur Klärung grundlegender Fragestellungen in der Neurobiologie bedürfen einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Physiologie, Neurologie, Neuroanatomie, Humangenetik, Neuropathologie, Biochemie, Biophysik, Psychiatrie u.a. Die Neurogenetik ist daher nicht als eine isolierte Disziplin aufzufassen. Ihr Ziel ist es, die Gene, die für die Entwicklung und Funktion des Nervensystems von Bedeutung sind sowie die Mechanismen ihrer Wechselwirkungen zu erkennen, und somit auch die genetischen Grundlagen physiologischer und gestörter Funktionen des Nervensystems besser zu verstehen. Diese Aufgabe beinhaltet die Charakterisierung von Genen und Genprodukten, welche für das Nervensystem relevant sind, die Aufklärung sowohl der genetischen Organisation als auch der Regulation der Genexpression und schließlich der molekularen Zusammenhänge auf funktioneller Ebene. Außerdem beschäftigt sich die Neurogenetik mit der Vererbung dieser Erkrankungen und ist damit Basis der genetischen Beratung betroffener Familien. Eine neurogenetische Erkrankung versteht sich als eine Krankheit, die durch Genveränderungen verursacht wird, welche die Differenzierung und Funktion des Neuroektoderms und seiner Derivate beeinflussen. Es können zwei Typen unterschieden werden:
Bis heute sind mehrere hundert Gene erforscht, die für neurogenetische Erkrankungen verantwortlich sind oder zu ihrer Entwicklung beitragen.
Aus ätiologischer Sicht fallen neurogenetische Erkrankungen unter folgende Kategorien:
Kongenitale Fehlbildungen des Nervensystems erscheinen häufig sporadisch und erschweren die Differenzierung, ob sie genetischen Ursprungs sind oder nicht. Die Krankheitsbilder sind vielfältig, es sind mehr als 500 verschiedene Typen vererbter neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen bekannt, bei denen Veränderungen in Molekülen, die das Gehirn und die peripheren Nerven aufbauen, zu einer Erkrankung führen.
Nachfolgend sind einige der häufigsten Krankheitsgruppen aufgeführt:
Kindliche Entwicklungsstörungen:
Hier sind zumindest zu 50 % genetische Faktoren ursächlich beteiligt. Am häufigsten finden sich numerische und strukturelle Chromosomenstörungen, aber auch zahlreiche monogen vererbte Syndrome wie Fragiles X-Syndrom, Rett-Syndrom und Angelman-Syndrom.
Epilepsien:
Epilepsie ist eine häufige, klinisch und genetisch heterogene Erkrankung, die ca. 1% der Bevölkerung betrifft. Ein Drittel der Fälle beruht auf rein exogenen Faktoren, wie Traumata, Tumoren, Infektionen u.s.w. wobei die Ätiologie der restlichen zwei Drittel weitgehend unbekannt und wahrscheinlich meist multifaktoriell bedingt ist. 1995 wurden zum ersten Mal Mutationen in einem Gen für eine autosomal dominante Form der Epilepsie (Frontallappenepilepsie) beschrieben. Eine große Kategorie betrifft die progressiven myoklonischen Epilepsien.(s. auch Generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+)).
Neuromuskuläre Erkrankungen:
Hinter dem Begriff „Muskelschwund“ verbirgt sich eine große Zahl von Krankheitsbildern. Zur Klassifikation der einzelnen Erkrankungen können u.a elektrophysiologische Befunde, Laborparameter, eine differenzierte Histologie, das klinische Bild, die Familienanamnese und die Immunhistochemie beitragen. Trotzdem gelingt die differenzierte Einordnung oft nicht oder nur mit Hilfe der molekulargenetischen Untersuchung. Zu den neuromuskulären Erkrankungen zählen u.a. Muskeldystrophien, wie die Dystrophinopathien Duchenne und Becker, die Myotonen Dystrophien Typ 1 und Typ 2, Muskelatrophien, wie die Spinalen Muskelatrophien (SMA) und die spinobulbäre Muskelatrophie Typ Kennedy (SBMA). Sie sind alle monogen vererbt.
Neurodegenerative Erkrankungen:
Dabei handelt es sich in erster Linie um monogen bedingte Erkrankungen des Erwachsenenalters, die aufgrund vorzeitiger Degeneration bestimmter Strukturen des Nervensystems zu entsprechenden neurologischen Symptomen führen. Hierzu zählen u.a. Chorea Huntington, die autosomal-dominanten spinozerebellären Ataxien und eine autosomal-rezessive Form, die Friedreich’sche Ataxie. Morbus Alzheimer, der für rund zwei Drittel aller Demenzfälle verantwortlich ist und sich mittlerweile zur vierthäufigsten Todesursache in Industrieländern entwickelt hat, kann in seiner hereditären Form aufgrund von Mutationen in bisher 3 bekannten Genen oder multifaktoriell bedingt sein. Desweiteren können hier u.a. Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und die Amyotrophe Lateralsklerose genannt werden.
Neurokutane Syndrome:
Sie umfassen eine große Gruppe neurologischer Krankheitsbilder mit der Symptomenkombination unterschiedlicher Hautbefunde mit gleichzeitiger Erkrankung bzw. Beteiligung des peripheren und zentralen Nervensystemes. Die Haut und das Nervensystem sind beide ektodermalen Ursprungs. Als häufigste monogene Erkrankungen werden hier die Neurofibromatosen erwähnt, desweiteren gehören in diese Gruppe die Tuberöse Sklerose und das Von-Hippel-Lindau-Syndrom.
letzte Aktualisierung: 12.7.2024