Die familiäre hemiplegische Migräne (FHM) ist eine seltene, monogene Migräneform mit einer Prävalenz von etwa 1:10.000, die durch visuelle, sensorische, sprachliche und motorische Störungen in Form einer reversiblen Hemiparese gekennzeichnet ist. Pathogene Varianten in den Genen CACNA1A, ATP1A2 und SCN1A, die für Ionenkanalkomponenten codieren, sind mit FHM assoziiert. Die Erkrankung weist Überschneidungen mit bestimmten Epilepsieformen auf und wird autosomal-dominant vererbt.
Die Familiäre Hemiplegische Migräne (FHM) ist eine seltene (Prävalenz ca. 1:10.000) monogen bedingte Form der Migräne. Sie gehört gemäß den Kriterien der International Headache Society von 2004 zu den Migräneformen mit Aura. Die Aura kann wie bei anderen Migräneformen visuelle, sensorische und sprachliche Störungen beinhalten, bei der FHM kommt jedoch noch eine motorische Störung in Form einer reversiblen Hemiparese, die länger anhalten kann, hinzu. Bei 20-40% der Familien werden zusätzliche zerebelläre Symptome wie progrediente, leichte Ataxie und/oder Nystagmus beschrieben. Für die familiäre Form ist definitionsgemäß mindestens ein weiterer erstgradig Verwandter mit der Erkrankung gefordert.
Die Aura wird vermutlich durch die am Tiermodell nachgewiesene CSD („corticalspreadingdepression“) verursacht, eine sich langsam über die Hirnrinde ausbreitende Depressionswelle, die andere neuronale Aktivität vorübergehend hemmt. Die eigentlichen Kopfschmerzen sollen durch eine Aktivierung des sog. trigeminovaskulärenSystems (TGVS) entstehen. Therapeutisch und prophylaktisch können Medikamente wie bei der Migräne eingesetzt werden; Triptane und andere vasokonstriktorische Substanzen sollten vermieden werden.
Bisher sind in drei Genen pathogene Varianten im Zusammenhang mit familiärer, hemiplegischer Migräne beschrieben. Diese Gene (CACNA1A,ATP1A2und SCN1A ) codieren entweder für Komponenten von Ionenkanälen (CACNA1A und SCN1A ) bzw. eine Na+– K+– ATPase (ATP1A2 ). Die FHM gehört damit zu den Ionenkanalerkrankungen. Da nicht in allen Familien pathogene Varianten in diesen Genen nachgewiesen wurden, werden weitere seltenere Formen (FHM4-6) vermutet. Die sporadische Form (SHM) wird durch dominante Neumutationen oder eine reduzierte Penetranz erklärt. Je nach der untersuchten Population wurden bei der SHM keine oder selten pathogene Varianten in den bisher bekannten, die FHM verursachenden Genen gefunden. Da sich die Formen klinisch wenig unterscheiden, kann bei der molekulargenetischen Abklärung die Untersuchung der drei Gene mittels Next Generation Sequencing (NGS) in einem Ansatz erfolgen.
Die FHM zeigt klinische, genetische und pathophysiologische Überschneidungen zu den Epilepsien und weiteren neurologischen Erkrankungen. Pathogene Varianten in den drei ursächlichen Genen sind auch als Ursache von Epilepsien beschrieben, das SCN1A-Gen z.B. als Ursache des Dravet-Syndroms oder der Generalisierten Fieberkrämpfe plus (GEFS+).
Aufgrund der autosomal-dominanten Vererbung besteht für Nachkommen von Trägern pathogener Varianten ein Wiederholungsrisiko von 50 %.
letzte Aktualisierung: 12.7.2024