Marfan-ähnliche Erkrankungen umfassen eine Gruppe von Syndromen mit phänotypischen Überlappungen zum klassischen Marfan-Syndrom. Zu diesen Erkrankungen gehören das Ectopia Lentis-Syndrom, Shprintzen-Goldberg-Syndrom, kongenitale kontrakturelle Arachnodaktylie, Lujan-Fryns-Syndrom, geleophysische Dysplasie und Weill-Marchesani-Syndrom. Diese Syndrome können durch Varianten in verschiedenen Genen verursacht werden und zeigen eine Vielzahl klinischer Merkmale.
Während heterozygote FBN1-Varianten die Ursache des dominant vererbten Ectopia Lentis-Syndroms (ECTOL1) sind, führen homozygote oder kombiniert heterozygote Varianten im ADAMTS4–Gen zur autosomal-rezessiv vererbten isolierten Linsenluxation (ECTOL2). Differenzialdiagnostisch zum klassischen Marfan-Syndrom (MFS) ist aufgrund der phänotypischen Überlappungen der kraniofazialen, kardiovaskulären, Skelett- und Hautmanifestationen das Shprintzen-Goldberg-Syndrom (SGS) zu nennen, wobei mentale Retardierung und Hypotonie der Skelettmuskulatur zusätzlich vorkommen. SGS ist hauptsächlich durch Varianten imSKI-Gen bedingt. Die kongenitale kontrakturelle Arachnodaktylie (CCA) ist durch einen marfanoiden Habitus, Spinnenfingrigkeit, Gelenkkontrakturen, Kyphoskoliose, Muskelhypotonie, Ohrmuscheldysplasien und Aortenwurzelerweiterung gekennzeichnet. CCA ist durch Varianten im FBN2-Gen bedingt. Lujan-Fryns-Syndrom, das auch als X-chromosomale geistige Retardierung (XLMR) mit marfanoidem Habitus bezeichnet wird, weist mit marfanoidem Habitus, kraniofazialen Merkmalen, generalisierter Muskelhypotonie und Verhaltensproblemen sowohl Überlappungen mit MFS als auch mit SGS auf. Die Vererbung ist X-chromosomal-rezessiv mit Varianten in den Genen MED12, UPF3Bund ZDHHC9.
Geleophysische Dysplasie (GD) ist eine seltene Skelettdysplasie, gekennzeichnet durch Kleinwuchs, prominente Fehlbildungen der Hände und Füße, progressive, eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke, ein charakteristisches Gesicht, verdickte Haut und eine progressive Herzklappenbeteiligung. In jeweils der Hälfte der Fälle liegt eine autosomal-dominante bzw. eine autosomal-rezessive Vererbung vor. Die autosomal-dominanten Formen sind durch heterozygote Varianten im FBN1-Gen (GPHYSD2) und im LTBP3-Gen (GPHYSD3) bedingt. Die autosomal-rezessive Form (GPHYSD1) ist durch homozygote oder kombiniert heterozygote Varianten im ADAMTSL2-Gen bedingt. Weill-Marchesani-Syndrom (WMS) ist eine seltene Bindegewebserkrankung, die gekennzeichnet ist durch eine charakteristische Augensymptomatik mit Mikrosphärophakie, schwerer Myopie, Linsenektopie und Glaukom. Weitere Symptome sind proportionierter Kleinwuchs, Brachydaktylie, Gelenksteifigkeit und kardiale Anomalien wie Pulmonalklappenstenose, Mitralinsuffizienz bzw. Aortenklappenstenose. WMS kann sowohl autosomal-dominant als auch autosomal-rezessiv vererbt werden. Heterozygote Varianten im FBN1-Gen sind die Ursache der dominant vererbten Form (WMS2). Homozygote oder kombiniert heterozygote Varianten in den Genen ADAMTS10 (WMS1), LTBP2 (WMS3) oder ADAMTS17 (WMS4) sind die Ursache der rezessiv vererbten Formen.
letzte Aktualisierung: 12.7.2024