Die Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger bei Transplantationen basiert auf der Bestimmung der HLA-Merkmale. Trotz vollständiger Übereinstimmung der HLA-Merkmale können Komplikationen wie GvHD oder Transplantatabstoßung auftreten. Der MHC spielt dabei eine wichtige Rolle. Durch Next-Generation-Sequenzierung (NGS) können weitere Gene charakterisiert werden, die zur Entwicklung einer GvHD oder zur Transplantatabstoßung beitragen. Die Komplettsequenzierung der MHC-Region kann auch für die Diagnostik von Autoimmunerkrankungen verwendet werden.
Die Beurteilung der Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger im Rahmen der Blutstammzell- oder Organtransplantation beruht auf der Bestimmung der HLA-Merkmale. Methodisch stehen hierbei die neuesten Technologien zur Verfügung, um die HLA-Gene zu typisieren. Es können die ganzen Gene der transplantationsrelevanten HLA-Klasse I und II Merkmale (HLA-A, -B, -C, -DRB1, -DQB1, -DPB1) sowie der nicht-klassischen HLA-Gene (HLA-E, -F, -G, -DQA1, -DPA1) untersucht werden.
Auch bei vollständiger Übereinstimmung der untersuchten HLA-Merkmale sind die Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) oder eine Transplantatabstoßung häufige Komplikationen einer Transplantation. Der Grund für einen Transplantationserfolg ist nicht nur von der Kompatibilität der HLA-Merkmale abhängig, sondern auch von anderen Genen, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Bei dem Haupthistokompatibilitätskomplex (Major Histocompatibility Complex – MHC) handelt es sich um eine Gruppe von über 400 Genen auf Chromosom 6, auf dem nicht nur die HLA-Merkmale, sondern auch eine Vielzahl von Proteinen kodiert sind, die an der Immunreaktion beteiligt sind. Dieser Gencluster (ca. 4 Mio. Basenpaare) zeigt die größte Variabilität im menschlichen Genom. Es ist naheliegend, dass eine vollständige Sequenzierung dieser Region wertvolle Informationen für die Forschung und evtl. auch für die Klinik liefern kann. Mithilfe der Next-Generation-Sequenzierung (NGS) können weitere Gene charakterisiert werden, die zur Entwicklung einer GvHD bzw. zur Transplantatabstoßung führen. Hierzu kann der komplette MHC-Bereich angereichert und anschließend sequenziert werden. Die Roche/NimbleGen SeqCapEZ Hybridisierungsmethode und eine anschließende Sequenzierung auf der Illumina Plattform dienen der Durchführung. Durch die erhaltene Sequenzinformation können Spender-Empfänger-Differenzen ausfindig gemacht werden, die zur Verstärkung des Graft-versus-Leukemia–Effektes (GvL) beitragen ohne das Risiko einer GvHD zu erhöhen. Detailliertere Information über die genetische Variabilität des MHC könnte die Spenderauswahl optimieren und damit am Ende zu besseren Transplantationsergebnissen beitragen.
Eine weitere Applikation für die Komplettsequenzierung der MHC-Region ist die Diagnostik von Autoimmunerkrankungen. In der Literatur sind zahlreiche Assoziationen von HLA-Merkmalen mit Autoimmunphänomenen beschrieben; mit einer HLA-Typisierung allein ist eine sichere Diagnosestellung jedoch nicht möglich. Es wird angenommen, dass Genvarianten in der Nachbarschaft der HLA-Merkmale mit ursächlich für diese Erkrankungen sind bzw. das Zusammenspiel mehrerer genetischer Varianten zur Entwicklung von Autoimmunkrankheiten führt.
letzte Aktualisierung: 12.7.2024