Die HLA-Typisierung ist ein wesentlicher Bestandteil in der Transplantations- und Transfusionsmedizin sowie bei der Differenzialdiagnostik verschiedener Erkrankungen. Das humane Leukozyten-Antigen-System (HLA) besteht aus hochvariablen Proteinen auf der Zelloberfläche, die für die Präsentation von Antigenen zuständig sind und im MHC-Bereich von Chromosom 6 codiert werden. Fortschritte in den NGS-Technologien haben die Genauigkeit und Effizienz der HLA-Typisierung erheblich verbessert.
Das HLA-System (Humanes Leukozyten-Antigen-System) spielt eine entscheidende Rolle bei der antigenspezifischen Immunantwort. Die Proteine des HLA-Systems sind hochpolymorphe Moleküle auf der Zelloberfläche, deren Aufgabe die Präsentation körpereigener und fremder Antigene ist. HLA-Moleküle zeigen eine extrem hohe Variabilität und werden in der MHC-Region (Major Histocompatibility Complex) auf dem kurzen Arm von Chromosom 6 kodiert. Die Gene der MHC-Region werden 2 Klassen zugeordnet: Klasse I bilden die Loci HLA-A, -B, -C, während Klasse II die Loci HLA-DP, -DQ, -DR kodieren.
Die Typisierung von HLA-Merkmalen spielt eine bedeutende Rolle in der Transplantations- und Transfusionsmedizin sowie bei der Differenzialdiagnostik verschiedener Erkrankungen, die mit dem Vorhandensein bestimmter HLA-Allele assoziiert sind. Eine besondere Bedeutung kommt dem HLA-System bei der Auswahl von Blutstammzellspendern zu. Die allogene Transplantation von Knochenmark (KMT) oder peripheren Blutstammzellen (PBSCT) ist bei malignen Erkrankungen und Funktionsstörungen der blutbildenden Organe oft die einzige kurative Therapiemöglichkeit. Als allgemein anerkanntes Kriterium für eine erfolgversprechende Stammzelltransplantation gilt die Gewebeverträglichkeit von Spender und Empfänger, die anhand der Bestimmung der HLA-Merkmale beurteilt wird. Entsprechend der Richtlinien der EFI (European Federation for Immunogenetics) und DGI (Deutsche Gesellschaft für Immungenetik) ist dabei die Untersuchung von fünf HLA-Genen erforderlich, wobei als klinisch-biologisch relevant zur Zeit nur Exon 2 und 3 der HLA-Klasse-I-Merkmale (HLA-A, -B, -C) bzw. Exon 2 der HLA-Klasse-II-Merkmale (HLA-DRB1, -DQB1) betrachtet werden. Die Typisierung der HLA-DPB1-Merkmale ist optional.
NGS-Technologien ermöglichen es inzwischen, die Sequenzierkapazitäten im Vergleich zu herkömmlichen Methoden um ein Vielfaches zu erhöhen, so dass mehr Gene und größere Genabschnitte im Hochdurchsatz kostengünstig sequenziert werden können. Neben dem hohen Probendurchsatz ist dank klonaler Amplifikation die Typisierung in hoher Auflösung möglich. Besonders bei der Typisierung neu registrierter Blutstammzellspender können, aufgrund des hohen Probenaufkommens, die Vorteile der NGS-Technologien geltend gemacht werden. So werden bei der Dateispendertypisierung 6 HLA-Loci (HLA-A, -B, –C, –DRB1, –DQB1, –DPB1) in hoher Auflösung typisiert. Als Zusatzinformation können die molekulargenetisch bestimmten ABO/Rhesus-Merkmale und der serologische CMV-Status der Spender übermittelt werden.
Auch bei vollständiger Übereinstimmung der untersuchten HLA-Merkmale können nach der Transplantation verschiedene Komplikationen, wie die Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD), ein Rezidiv der Grunderkrankung oder eine Transplantatabstoßung auftreten. Es ist möglich, dass Polymorphismen außerhalb der routinemäßig untersuchten Exons der HLA-Gene das Risiko einer GvHD oder eines Rezidivs beeinflussen. Auch andere, bislang nicht berücksichtigte HLA-Gene, z. B. HLA-E, -F, -G, -DQA1 oder -DPA1 könnten einen Einfluß auf die Transplantationsergebnisse haben. Die vollständige Sequenzierung der klassischen und weiterer nicht-klassischer HLA-Gene, die mittels einer sogenannten Long range PCR amplifiziert werden, könnte möglicherweise zu einer optimierten Spenderauswahl und somit zu besseren Transplantationsergebnisse beitragen.
Des Weiteren wird eine HLA-Typisierung von Spender und Empfänger in speziellen Fällen vor einer Transfusion von Thrombozytenkonzentraten durchgeführt. Bei Empfängern, die in der Vorgeschichte mehrfach Thrombozyten erhalten haben, kann es zu einer Sensibilisierung kommen, so dass HLA-inkompatible Thrombozyten schnell wieder abgebaut werden. Die Transfusion von HLA-kompatiblen Thrombozyten kann dann notwendig sein, um überhaupt einen Anstieg der Thrombozytenzahlen zu erreichen.
Bei mehr als 40 Erkrankungenbesteht eine Assoziation mit bestimmten HLA-Merkmalen, die auf eine Krankheitsprädisposition hinweisen können. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Autoimmunerkrankungen wie z.B. systemischer Lupus erythematodes (SLE), ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew), multiple Sklerose (MS), Zöliakie, insulinabhängiger Diabetes mellitus (IDDM) oder rheumatoide Arthritis. Aber auch manche medikamenten-induzierten Hypersensitivitäten und Infektionserkrankungen zeigen eine Assoziation mit HLA-Merkmalen.
Die jeweils gültige Nomenklatur für Faktoren des HLA-Systems wird durch das Nomenklatur-Komitee der WHO festgelegt. Serologisch bestimmte HLA-Antigene werden durch einen Buchstaben für den Genort und eine Nummer für die Antigenvariante gekennzeichnet, z.B. HLA-B8. Molekulargenetisch typisierte HLA-Allele werden mit dem Genort, einem ‘*’ und vier Feldern für Allelgruppe, Allele mit Aminosäure-Austausch, Allele mit synonymen Nukleotidsubstitutionen in Exons und Nukleotidsubstitutionen in Introns angegeben, z. B. HLA-A*24:02:01:01. In der Regel ist eine Typisierung auf Allelgruppenebene (z. B. HLA-A*24, niedrige Auflösung) oder auf Allelebene (2 Felder, z. B. HLA-A*24:02, hohe Auflösung) ausreichend.
letzte Aktualisierung: 12.7.2024