Das Constitutional Mismatch Repair Deficiency Syndrom (CMMRDS) ist ein seltenes Tumorprädispositions-Syndrom, das bei Kindern und jungen Erwachsenen diverse Tumoren wie hämatologische Neoplasien, Hirn-/ZNS-Tumoren und Lynch-Syndrom-assoziierte Tumoren verursacht. Ursächlich sind biallelische inaktivierende Varianten in den Mismatch-Repair-Genen MLH1, MSH2, MSH6 oder PMS2, wobei PMS2-Varianten am häufigsten sind. CMMRDS wird autosomal-rezessiv vererbt und zeigt klinische Merkmale wie Café-au-lait-Flecken und neurofibromatöse Veränderungen. Empfohlen wird eine regelmäßige medizinische Überwachung ab dem ersten Lebensjahr und genetische Beratung für die betroffenen Familien.
Das konstitutionelle Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom (constitutional mismatch-repair deficiency syndrome, CMMRDS) ist ein sehr seltenes Tumorprädispositions-Syndrom, das mit verschiedensten Tumorerkrankungen bei Kindern und jungen Erwachsenen einhergeht. Bislang sind etwa 200 Betroffene in der Literatur beschrieben, die insgesamt über 320 verschiedene Neoplasien ausbildeten, darunter hämatologische Neoplasien (24%), Hirn-/ZNS-Tumoren (35%), sowie Kolorektalkarzinome oder andere Lynch-Syndrom-assoziierte Tumoren (38%). Die Lynch-Syndrom-assoziierten Tumoren werden meist in der 2. oder 3. Lebensdekade beobachtet, hingegen werden hämatologische und ZNS-Tumoren bereits während der Kindheit diagnostiziert. Manche Betroffene bilden zahlreiche adenomatöse Polypen im GI-Trakt aus, sodass das Erscheinungsbild des Patienten der (attenuierten) familiären adenomatösen Polyposis (FAP) bzw. dem Turcot-Syndrom ähnelt. Zudem werden auch nicht-neoplastische Veränderungen beobachtet: bei einigen der CMMRDS-Patienten wurden Café-au-lait-Flecken, axilläres Freckling oder auch plexiforme Neurofibrome – wie sie auch bei Neurofibromatose Typ 1 zu sehen sind – diagnostiziert. Es sind Fälle beschrieben, in denen die Patienten die diagnostischen Kriterien für eine NF-Testung erfüllten.
Ursächlich für CMMRDS sind biallelische inaktivierende Varianten in den Mismatch-Repair-Genen (MMR-Gene) MLH1, MSH2, MSH6 oder PMS2. Heterozygote Varianten in den MMR-Genen sind verantwortlich für das Lynch-Syndrom (LS, HNPCC), das zur Ausbildung von Kolorektal-, Endometriumkarzinomen und weiteren gastrointestinalen und gynäkologischen Tumoren führen kann. Bei CMMRDS hingegen liegen pathogene Varianten in einem der MMR-Gene homozygot oder gemischt heterozygot vor, sodass es zum vollständigen Funktionsverlust des entsprechenden Genprodukts kommt. CMMRDS wird autosomal-rezessiv vererbt. Im Gegensatz zum Lynch-Syndrom, bei dem die Gene MLH1 oder MSH2 am häufigstens betroffen sind und die Gene MSH6 und PMS2 eher seltener, sind bei CMMRDS 60% der Fälle auf biallelische Varianten im PMS2-Gen zurückzuführen. Die Penetranz von Lynch-Syndrom-assoziierten Tumoren bei heterozygoten PMS2-Anlageträgern ist relativ niedrig verglichen mit MLH1-/MSH2-/MSH6-Anlageträgern, so dass die Familienanamnese auch unauffällig sein kann.
Bei folgenden klinischen Anhaltspunkten sollte bei Kindern und jungen Erwachsenen die Verdachtsdiagnose CMMRDS erwogen werden:
Das europäische Konsortium für CMMRD veröffentlichte Empfehlungen für die medizinische Überwachung und Betreuung von CMMRDS-Patienten: Ab dem Alter von einem Jahr sollten Anlageträger halbjährlich auf hämatologische Neoplasien untersucht werden. Mit Beginn des dritten Lebensjahres sollte mindestens einmal jährlich eine MRI-Untersuchung durchgeführt werden im Hinblick auf Hirntumoren. Einmal jährlich sollten ab 8 Jahren Untersuchungen bezüglich Kolonkarzinomen, und ab 10 Jahren bezüglich Dünndarmkarzinomen vorgenommen werden. Vorsorgeuntersuchung zu anderen Lynch-Syndrom-assoziierten Tumorerkrankungen (Endometrium-, Ovarialkarzinome, Tumoren der Gallengänge und Harnwege) sollten ab dem 21. Lebensjahr einmal jährlich erfolgen.
Eine genetische Beratung ist den betroffenen Familien dringend anzuraten, da beide Elternteile mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Anlageträger einer ursächlichen Variante in einem der MMR-Gene sind und somit ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung Lynch-Syndrom-assoziierter Tumoren haben. Desweiteren haben Geschwister des betroffenen Kindes ein Risiko von 25%, biallelische Anlageträger und 50%, monoallelische Anlageträger zu sein. Ihnen sind entsprechende Vorsorgeprogramme zu empfehlen. Außerdem können weitere Risikopersonen in der Familie identifiziert werden, und Überlegungen zur Familienplanung bei mono- und biallelischen Anlageträgern diskutiert werden.
Hinweis zur prädiktiven Diagnostik:
Bei der prädiktiven Diagnostik werden gesunde Risikopersonen untersucht, in der Regel erstgradige Verwandte von Betroffenen. Laut Gendiagnostikgesetz (GenDG) soll bei jeder diagnostischen genetischen Untersuchung eine genetische Beratung angeboten werden. Bei prädiktiver genetischer Diagnostik muss laut GenDG vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Resultats genetisch beraten werden (§10, Abs. 2 GenDG).
letzte Aktualisierung: 12.7.2024