Eine 100%ige Prophylaxe gegen HIV

Langwirksame Medikamente für HIV-Therapie und Prävention

Allein mit Spritzen gegen HIV vorzugehen scheint für Ärzte, die nicht auf die Behandlung von HIV-Patienten spezialisiert sind, zunächst einmal ungewöhnlich. Und jetzt auch noch prophylaktisch mit – medizinisch sehr ungewöhnlich – 100 %igem Erfolg!

Mit Lenacapavir (LEN) wurde 2022 ein Kapsid-Inhibitor als neue Wirkstoffklasse zur Be­handlung multiresistenter HI-Viren in Europa zugelassen, der zu den „Long-Acting-Injec­tables“ zählt. Das Medikament hemmt die Funktion der viralen Kapsidproteine, die einen schützenden Mantel um das RNA-Genom des Virus bilden. Die Ergebnisse der Purpose-1-Studie fanden auf dem AIDS-Kongress Ende Juli 2024 in München nun besondere Be­achtung. Es konnte gezeigt werden, dass eine halbjährliche Injektion von Lenacapavir als PrEP (Präexpositions-Prophylaxe) einen hundertprozentigen Schutz vor einer Ansteckung mit HIV bietet [1,3,4]. Für die weltweite HIV-Epidemie könnte dieser Ansatz ein „Gamechan­ger“ sein, wie HIV-Spezialisten zu den Ergebnissen der Studie kommentierten.

In Deutschland ist Lenacapavir für die prophylaktische Anwendung bisher allerdings nicht zugelassen. Und es ist derzeit ebenso wenig als Therapeutikum erhältlich. Der Hersteller Gilead kann mit den vorhandenen Daten einen für das Unternehmen geld­werten Zusatznutzen des Medikaments nicht belegen und müsste deshalb finanzielle Einbußen hinnehmen.

Eine weitere getestete „injizierbare“ PrEP ist die Injektion von Cabotegravir (CAB, Subs­tanzklasse der Integrasehemmer). Die Depotwirkung hält hier 8 Wochen an, die tägliche Medikamenteneinnahme wie bei der bisherigen oralen PrEP (Kom­bination aus Tenofovirdisoproxil­fumarat, TDF, plus Emtricitabin, FTC, beide Substanzklasse der Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) wäre bei der Cabotegravir-Sprit­ze nicht notwendig. Auch Cabo­tegravir hat in Studien sehr gute Ergebnisse gezeigt (relative Risi­koreduktion 90% für Cabotegra­vir, 70% für die orale PrEP in Ver­gleichsstudien), erreicht aber nicht den Erfolg von Lenacapavir. Auch für Cabotegravir ist der finanzi­elle Aspekt derzeit das größte Hindernis für einen flächen deckenden Einsatz. Bisher über­nehmen die gesetzlichen Kran­kenkassen nur die Kosten für die orale PrEP [5].

Therapie mit Injectables

Therapeutisch relevant ist die Injektion der Kombination von Cabotegravir und Rilpivirin (Substanzklasse der Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) alle 8 Wochen. Vor der Umstellung der Therapie auf Injectables muss aus virologischer Sicht die Möglichkeit eines Therapieversagens durch bereits im Körper zirkulierende resistente HI-Viren minimiert werden. Gleiches gilt vor der Therapie von bisher therapienaiven Patienten. Die HIV-Resistenztestung mittels Next Generation Sequencing untersucht therapierelevante virale Gene auf resistenzvermittelnde Mutationen (Resistance-Associated Mutations, RAM’s). Die Bestimmung des HIV-Subtyps ist durch die Sequenzierung im gleichen Workflow möglich. Der Subtyp ist hier von Bedeutung, da bei Vorliegen bestimmter HIV-1 Subtypen (A6 bzw. A1) [2] eine Therapie mit CAB/RPV kontraindiziert ist.

Zusammenfassung

Dank der Fortschritte in der Forschung können Menschen mit einer HIV-Infektion heute selbst entscheiden, ob sie durch die tägliche orale Einnahme der lebensnotwendigen Therapie ständig mit ihrer Infektion konfrontiert sein wollen oder ob sie sich für eine langanhaltende Injektionstherapie entscheiden. Eine lang wirksame medikamentöse Prävention ist eben­falls in Sicht. Jedoch gilt es in den nächsten Jahren hier finanzielle und regulatorische Hürden zu überwinden.

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