Myeloische/lymphatische Neoplasien mit definierendem Gen-Rearrangement umfassen eine Gruppe von Erkrankungen, die durch Gen-Umlagerungen und die dysregulierte Aktivität von Tyrosinkinase-Genen charakterisiert sind, wobei Eosinophilie ein verbreitetes Merkmal darstellt. Diese Neoplasien können sich in verschiedenen hämatologischen Erkrankungen manifestieren, wie chronische Eosinophilenleukämie (CEL), akute myeloische Leukämie (AML) oder T-Zell-Lymphome. Genetische Anomalien wie die Bildung von Fusionsgenen, insbesondere FIP1L1-PDGFRA, ETV6-PDGFRB oder ZMYM2-FGFR1, sind häufige Ursachen, wobei Patienten mit PDGFRA- und PDGFRB-Rearrangements oft positiv auf Tyrosinkinase-Inhibitoren reagieren. Die Diagnose dieser Erkrankungen erfolgt primär durch FISH-Analyse und kann durch Next-Generation-Sequencing präzisiert werden. Die chronische Eosinophilenleukämie – nicht anders angegeben (CEL-NOS) ist eine myeloproliferative Neoplasie, die durch eine persistierende Eosinophilie über 1500/μl, das Fehlen spezifischer Gen-Rearrangements und ein erhöhtes Risiko für eine Transformation in eine akute Leukämie charakterisiert ist.
Myeloische/lymphatische Neoplasien mit definierendem Gen-Rearrangement bezeichnet eine Krankheitsfamilie, die durch dysregulierte Tyrosinkinase-Gene, verursacht durch Rearrangements der betreffenden Gene, hervorgerufen wird. Die Patienten können MPN, MDS/MPN, do novo oder sekundäre Leukämien oder Lymphome mit gemischtem Phänotyp aufweisen. Die Eosinophilie ist ein häufiges, aber nicht beständiges, Merkmal dieser Erkrankungen.
Myeloische/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und PDGFRA-Rearrangement präsentieren sich meist als chronische Eosinophilenleukämie (CEL), können aber auch als AML und/oder T-ALL auftreten. Eine erhöhte Anzahl reifer Eosinophiler und die Involvierung des peripheren Blutes sowie des Knochenmarks sind charakteristisch. Anämie und Thrombozytopenie treten sporadisch auf, Neutrophile können erhöht vorliegen, Monozyten und Basophile liegen im normalen Bereich. Das Knochenmark ist hyperzellulär mit erhöhten Eosinophilen und deren Vorläufern sowie erhöhten Mastzellen. Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung, bei der es durch die Ausschüttung inflammatorischer Mediatoren, zur Schädigung zahlreicher Organe wie Herz, Lunge, Nervensystem und Gastrointestinaltrakt kommen kann.
Etwa 10% der Patienten mit Eosinophilie unbekannter Ursache zeigen eine Veränderung in PDGFRA. Die häufigste Veränderung stellt dabei die Bildung des FIP1L1-PDGFRA-Fusionsgens dar, das typischerweise durch eine submikroskopische 800 kb-Deletion des CHIC2-Gens in 4q12 entsteht. Es werden auch weitere Fusionsgene mit PDGFRA beschrieben. Patienten mit PDGFRA-Rearrangement sprechen auf die Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren, wie Imatinib oder TKIs der nächsten Generation an. Primäre oder sekundäre Resistenz gegen Imatinib ist sehr selten, es konnte jedoch eine Sekundärvariante in der Tyrosinkinase-Domäne von PDGFRA (Thr674Ile) nachgewiesen werden, die zu einer Imatinib-, Dasatinib- und Nilotinib-Resistenz führt.
Bei manchen Patienten werden chromosomale Rearrangements unter Beteiligung der Bruchpunktregion 4q12 beschrieben, wie t(1;4)(q44;q12) oder t(4;10)(q12;p11.1-p11.2). Weitere zytogenetische Veränderungen können einen Hinweis auf eine mögliche Evolution in eine AML geben. Für die initiale Diagnosestellung empfiehlt sich eine Analyse mittels Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) zum Nachweis eines PDGFRA-Rearrangements. Zur genaueren Charakterisierung des Fusionspartners kann eine Sequenzierung mittels Next-Generation-Sequencing angeschlossen werden.
Myeloische/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und PDGFRB-Rearrangement zeigen sich typischerweise mit Eigenschaften einer Eosinophilie-assoziierten CMML, einer aCML, CEL oder MPN. Es besteht das Risiko einer raschen Transformation in eine akute Leukämie. Meist zeigt sich im peripheren Blut eine Leukozytose mit Anämie sowie ein variabler Anstieg der Eosinophilen, Neutrophilen und deren Vorläufern sowie von Monozyten. Das Knochenmark ist hyperzellulär. Wie bei den myeloischen/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie und PDGFRA-Rearrangement handelt es sich um eine multisystemische Erkrankung, mit Involvierung des Knochenmarks und des peripheren Blutes sowie häufig einer Splenomegalie und selten einer Hepatomegalie. Auch hier kann es durch die Freisetzung inflammatorischer Zytokine und humoraler Faktoren zu einer Schädigung mehrerer Organe kommen.
Für das PDGFRB-Gen sind mehr als 30 Fusionspartner beschrieben, meist jedoch nur als Einzelfall. Das häufigste Fusionsgen stellt das ETV6-PDGFRB-Fusionsgen, resultierend aus einer Translokation t(5;12)(q32;p13.2), dar. Patienten mit PDGFRB-Rearrangement sprechen auf die Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren, wie Imatinib oder TKIs der nächsten Generation an. Jedoch nicht alle als t(5;12)(q31-33;p12) identifizierte Translokationen führen zur Bildung des ETV6-PDGFRB-Fusionsgens, müssen aus der Gruppe exkludiert werden und sprechen nicht auf eine Imatinib-Therapie an. Für den Nachweis eines PDGFRB-Rearrangements ist eine FISH-Analyse meist ausreichend. Zur Bestimmung des Fusionspartners kann das Fusionsgen mittels Next-Generation-Sequencing genau charakterisiert werden.
Myeloische/lymphatische Neoplasien mit Eosinophilie und FGFR1-Rearrangement werden mit heterogenen Erscheinungsformen wie MPN, AML, T- oder B-ALL oder AML mit gemischter Linienzuordnung beschrieben. Betroffen sind Knochenmark, peripheres Blut, Lymphknoten mit Lymphadenopathie, Leber und Milz. In den meisten Fällen findet sich eine ZMYM2-FGFR1-Fusion aus einer Translokation t(8;13)(p11;q12). Es sind jedoch weitere Rearrangements mit FGFR1 beschrieben, darunter v.a. Translokationen sowie eine Insertion. Zusätzlich können sekundäre zytogenetische Veränderungen, wie die Trisomie 21, detektiert werden. Für den Nachweis eines FGFR1-Rearrangements ist eine FISH-Analyse ausreichend. Zur Bestimmung des genauen Fusionspartners sowie zusätzlicher zytogenetischer Veränderungen kann eine Chromosomenanalyse durchgeführt werden. Abhängig vom Partnergen sind unterschiedliche Erscheinungsformen beschrieben. Insgesamt ergibt sich aufgrund der hohen Transformationswahrscheinlichkeit in eine akute Leukämie eine schlechte Prognose.
Während Patienten mit PDGFRA– und PDGFRB-Rearrangement meist auf eine Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren ansprechen, sprechen Patienten mit FGFR1-Rearrangement üblicherweise nicht auf eine solche an.
Die provisorische Entität der myeloischen/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie und PCM1-JAK2-Rearrangement ist sehr selten und präsentiert ein klinisch heterogenes Spektrum, das von akuten bis chronischen hämatologischen Neoplasien mit myeloischer und lymphatischer Erscheinung reicht, wobei die meisten Fälle eine MPN oder MDS/MPN zeigen. Im peripheren Blut finden sich neben einer Eosinophilie häufig neutrophile Vorläuferzellen sowie eine oftmals prominente Dyserythropoese sowie Dysgranulopoese. Eine Monozytose ist unüblich, eine Basophilie wird nur selten beschrieben. Im Knochenmark zeigt sich eine Linksverschiebung mit erythroider Prädominanz, lymphoiden Aggregatenund oftmals Myelofibrose.
Die Translokation t(8;9)(p22;p24.1) führt zu einer konstitutiven Aktivierung von JAK2, einer Nicht-Rezeptortyrosinkinase. Für einige wenige Patienten mit PCM1-JAK2 Rearrangement konnte zu einem gewissen Maße ein Ansprechen auf Ruxolitinib beobachtet werden. Neben der t(8;9)(p22;p24.1) können Fälle mit den varianten Translokationen t(9;12)(p24.1;p13.2) und t(9;22)(p24.1;q11.2) ebenfalls dieser Entität zugeordnet werden.
Eine FISH-Analyse empfiehlt sich zum Nachweis eines PCM1-JAK2-Rearrangements, zur weiteren Abklärung des Fusionspartners kann eine Sequenzierung mittels Next-Generation-Sequencing angeschlossen werden.
Chronische Eosinophilenleukämie – nicht anders angegeben (CEL-NOS)
Eosinophilie ist definiert als eine erhöhte Eosinophilenkonzentration im peripheren Blut – Eosinophilenzahlen von > 500/μl entsprechen einer schwachen, 1500/μl einer moderaten und > 5000/μl einer schweren Eosinophilie. Die Ursachen hierfür sind heterogen und erfordern die Differenzierung zwischen einer primären Eosinophilie aufgrund einer hämatologischen Neoplasie, einer sekundären, reaktiven Eosinophilie, z.B. verursacht durch parasitären Befall oder allergische Reaktionen und der ideopathischen Eosinophilie (HES).
Im Falle einer CEL liegt die persistierende Eosinophilie in der klonalen Proliferation eines eosinophilen Vorläufers begründet. Innerhalb der WHO-Hauptkategorie ist die „chronische eosinophile Leukämie – nicht anders angegeben“ (CEL-NOS) der Gruppe der myeloproliferativen Neoplasien (MPN) zugeordnet und lässt sich durch eine Eosinophilenkonzentration > 1500/μl, den Nachweis klonaler zytogenetischer oder molekulargenetischer Marker und den Ausschluss der folgenden Kriterien diagnostizieren: Abwesenheit eines Philadelphia-Chromosoms oder eines PDGFRA-, PDGFRB-, FGFR1– oder JAK2-Rearrangements, Ausschluss anderer akuter oder chronischer myeloproliferativer und/oder myelodysplastischer Neoplasien, ≥ 20 % Blasten im peripheren Blut oder Knochenmark.
Dysplasien in den anderen myeloischen Reihen, Neutrophilie und gelegentlich eine milde Monozytose oder Basophilie können den Verdacht auf eine CEL unterstützen. Das Knochenmark ist hyperzellulär, teilweise fibrotisch, mit einem erhöhten Myeloblastenanteil sowie Charcot-Leyden-Kristallen. Die Gewebeinfiltration durch Eosinophile und die Freisetzung inflammatorischer Zytokine und humoraler Faktoren führt zu einer Schädigung mehrerer Organe, wie u.a. des Herzens, der Lunge und des Zentralen Nervensystems.
Zytogenetisch können myeloisch-assoziierte Veränderungen wie eine Trisomie 8, eine Monosomie 7 oder ein Isochromosom 17q nachgewiesen werden. Varianten in den Genen JAK2, ASXL1, TET2 und EZH2 sowie Varianten in weiteren mit myeloischen Neoplasien assoziierten Genen werden mit unterschiedlicher Frequenz beschrieben und können den Verdacht auf ein CEL erhärten, wobei Varianten in ASXL1, TET2 und DNMT3A auch in nicht-erkrankten Individuen detektiert werden können.
Aufgrund des Risikos einer Transformation in eine akute Leukämie ist die Prognose ungünstig. Zudem werden Splenomegalie, ein erhöhter Blastenanteil im Knochenmark, zytogenetische Veränderungen sowie Dysplasien der anderen myeloischen Reihen als prognostisch ungünstige Faktoren beschrieben.
Klassifikation der Neoplasien mit Eosinophilie entsprechend der Revision derr WHO 2017, mod. nach Gotlib et al. 2017:
letzte Aktualisierung: 12.7.2024