Mikrodeletions- und Mikroduplikationssyndrome (Übersicht)

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Kurzbeschreibung

Mikrodeletions- und Mikroduplikationssyndrome sind genetische Störungen, die durch den Verlust oder die Verdopplung kleiner Chromosomenabschnitte entstehen und häufig zu komplexen, aber klinisch unterscheidbaren Phänotypen führen. Fortschritte in High-Resolution-Techniken und Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) haben zu einer zunehmenden Entdeckung dieser Syndrome geführt, die oft sporadisch auftreten und mit mentaler Retardierung sowie spezifischen körperlichen und Verhaltensmerkmalen verbunden sind. Sie werden auch als “Contiguous Gene Syndromes” bezeichnet, da sie wahrscheinlich durch den Verlust mehrerer benachbarter Gene im deletierten Abschnitt verursacht werden.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Mit der Einführung von High-Resolution-Techniken sowie der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) konnte gezeigt werden, dass eine wachsende Zahl klinischer Syndrome aus sog. Mikrodeletionen resultiert. Mikrodeletionssyndrome führen meistens zu komplexen, klinisch jedoch abgrenzbaren Phänotypen. Sie treten in der Regel sporadisch, als Einzelfall in der Familie, auf. Die meisten der chromosomalen Mikrodeletionssyndrome, denen Verluste meist submikroskopisch kleiner Chromosomenabschnitte zugrunde liegen, gehen mit mentaler Retardierung einher. Allerdings stehen hier auch fast immer andere Symptome wie typische Kombinationen von Fehlbildungen und/oder Dysmorphiezeichen sowie z.T. charakteristische „Verhaltensphänotypen“ im Vordergrund, so dass in diesen Fällen meist eine klinische Verdachtsdiagnose vorliegt, die eine spezifische Untersuchung verlangt. Einige der Mikrodeletionssyndrome gehören zu den häufigeren genetischen Erkrankungen, v.a. die Mikrodeletion 22q11.2, die u.a. das DiGeorge-Syndrom verursacht und die mit einer Häufigkeit von mindestens 1:4.000 beobachtet wird. Die meisten Mikrodeletionssyndrome werden auch als Contiguous Gene Syndromes bezeichnet, da die Symptomatik wahrscheinlich durch den Verlust mehrerer im Deletionsbereich liegender Gene verursacht wird.

Die nachfolgende Tabelle (Klassische Mikrodeletionssyndrome) gibt einen Überblick über einige wichtige Mikrodeletionssyndrome, deren Analyse routinemäßig durchgeführt wird. Einige der genannten Syndrome können auch andere Ursachen haben (Einzelgen-Mutation z.B. bei AS und / oder UPD z.B. bei PWS und AS).

Klassische Mikrodeletionssyndrome:

Syndrom
Locus
Inzidenz
Phänotyp
Angelman-Syndrom
OMIM 105830
15q11-q131:16.000-
1:20.000
Schwere psychomotorische Retardierung, Lachepisoden, EEG-
Auffälligkeiten
Cri-du-chat-Syndrom
OMIM 123450
5p15.2-
p15.3
1:50.000Schwere psychomotorische Retardierung, Minderwuchs, katzenartiges
Schreien im Säuglingsalter
DiGeorge-Syndrom
OMIM 188400
22q11.21:4.000Psychomotorische Retardierung, typische Fazies, konotrunkale
Herzfehler, Thymusaplasie, Hypokalzämie
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Die Anwendung chromosomaler Microarrays (CMA) hat zahlreiche neue Mikrodeletions- und -duplikationssyndrome definiert (s. Tabelle), die vor einigen Jahren noch völlig unbekannt waren und deren Phänotyp z.T. erst nach wiederholter Beschreibung der gleichen Imbalance als charakteristisch erkannt wurde.

Neuere Mikrodeletions- und -duplikationssyndrome mit Mentaler Retardierung (MR) als Leitsymptom:

Syndrom
Phänotyp
OMIM
Mikrodeletion 1q21.1Leichte bis mäßige MR, Mikrozephalie, Herzfehler, Katarakt, variable
Penetranz
612474
Mikroduplikation 1q21.1Leichte bis mäßige MR, Makrozephalie, diskrete Dysmorphien, autistische Verhaltensweisen612475
Mikrodeletion 1p36Entwicklungsverzögerung, MR, schwere Sprachentwicklungsverzögerung, Muskelhypotonie, Krampfanfälle, Herzfehler, Dysmorphiezeichen607872
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Modifiziert nach Vissers L. et al, J Med Genet 47: 289 (2010), Slavotinek AM, Hum Genet 124:1 (2008) und Watson et al, Annu Rev Genom Hum Genet 15:215 (2014)

Literatur

letzte Aktualisierung: 12.7.2024

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