Das Alport-Syndrom ist eine fortschreitende erbliche Nierenerkrankung, die mit Proteinurie und Hämaturie beginnt und zu terminaler Niereninsuffizienz führt. Die Vererbung erfolgt X-chromosomal oder autosomal (dominant oder rezessiv). Es sind drei Gene bekannt, die mit dem Alport-Syndrom assoziiert sind: COL4A3, COL4A4 und COL4A5. Die Genetik des Alport-Syndroms ist komplex, da verschiedene Kombinationen von pathogenen Varianten in den drei Kollagen Typ IV-Genen auftreten können. Varianten in COL4A3, COL4A4 und COL4A5 werden auch in mehr als 30% der Patienten mit adulter fokal segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) detektiert.
Beim Alport-Syndrom (ATS) handelt es sich um eine progressive hereditäre Nephropathie die mit einer Häufigkeit von ca. 1:5.000 auftritt. Klinische Zeichen sind zunächst Proteinurie und Hämaturie, im weiteren Verlauf entwickeln die Patienten ein terminales Nierenversagen (ESRD). Zusätzlich werden extrarenale Manifestationen, wie früh beginnende Innenohr-Schwerhörigkeit und Augenveränderungen (Lenticonus anterior) beobachtet. Das männliche Geschlecht ist i.d.R. schwerwiegender betroffen. Der Verlauf im weiblichen Geschlecht ist sehr variabel und kann vom unauffälligen Phänotyp bis hin zum Vollbild des Alport-Syndroms variieren. Ursächlich sind Veränderungen im Typ IV-Kollagen, die zu strukturellen Defekten in der glomerulären Basalmembran führen.
Drei Gene konnten bisher als genetische Ursache identifiziert werden: COL4A3, COL4A4 und COL4A5. Für das COL4A3-Gen und das COL4A4-Gen wurden sowohl ein autosomal-rezessiver Erbgang (AR-ATS, Häufigkeit: etwa 15% aller ATS-Patienten) als auch ein autosomal-dominanter (AD-ATS, Häufigkeit: ca. 1-5% aller ATS-Patienten) beschrieben. Allerdings fehlt gemäß der Expertenrichtlinie von Savige et al. 2019 bisher ein Konsensus über die Anwendung des Ausdrucks AD-ATS bei Personen mit heterozygoten COL4A3– oder COL4A4-Varianten, da die meisten Patienten keinen Hörverlust, keine okulären Anomalien oder lamellierte glomeruläre Basalmembran (GBM) aufweisen und nur wenige ein Nierenversagen im Endstadium entwickeln. Die Prognose ist aber nicht notwendigerweise benigne, eine kleine aber unvorhersehbare Zahl an Patienten erleidet ein Nierenversagen. Die Expertenkonsenusrichtlinien befürworten weiterhin die Verwendung des Ausdrucks der dominant vererbten “Thin Basement Membrane Nephropathy” (Dünne Basalmembran Nephropathie, TBMN). Patienten mit TBMN werden auch als Carrier für das AR-ATS angesehen. Pathogene Varianten im COL4A5-Gen führen zum X-chromosomalen ATS (Häufigkeit: ca. 85% der Fälle). Allerdings konnten auch polymorphe COL4A5-Varianten detektiert werden, die in manchen Fällen anstelle eines ATS den Phänotyp einer TBMN bedingen können.
Die Genetik des Alport-Syndroms ist kompliziert, da verschiedene Kombinationen von Varianten in den drei Kollagen Typ IV-Genen auftreten können; aber auch digene Varianten in den drei Kollagen-Typ IV-Genen und anderen Podozytengenen, die potentiell den Phänotyp beeinflussen. Drei NGS-Studien (von verschiedenen Laboren) haben bestätigt, dass die Art der Vererbung klinisch schwer vorherzusagen ist. Aus diesem Grund werden alle drei Gene COL4A5, COL4A3 und COL4A4 für die Untersuchung bei V.a. Alport-Syndrom empfohlen.
Bei X-chromosomaler Erkrankung sind etwa 40% aller Varianten missense-Veränderungen, 10% Spleißvarianten, 7% nonsense-Veränderungen und weitere 30% führen zu einem frameshift. Das bedeutet, dass fast 40% aller Varianten ein vorzeitiges Stoppcodon hervorrufen. Eine ähnliche Verteilung von pathogenen Varianten wird auch bei autosomal-rezessiven Erkrankungen beobachtet. Es gibt keine “hot Spot”-Regionen in den betroffenen Genen, mit Ausnahme der Glycin-Reste in der triple-helikalen Domäne. Glycinsubstitutionen in dieser Region stellen die häufigsten Veränderungen dar. Sie sind in der Regel pathogen, da Glycin die kleinste Aminosäure ist und der Austausch durch eine größere Aminosäure die triple-helikale Struktur stört. Nur wenige Gly-Substitutionen sind nicht pathogen.
Varianten in COL4A3, COL4A4 und COL4A5 werden auch in mehr als 30% der Patienten mit adulter fokal segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) detektiert.
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